Noch immer wählen zu wenige Mädchen Berufe mit technisch-naturwissenschaftlichem Bezug, Jungs entscheiden sich zu selten für typische Frauenberufe. Die Gleichwertigkeit der Jobs, sowie ihre Bezahlung sind dabei ein großes Thema, das ich bereits zu meinem Beitrag zum internationalen Frauentag am 8. März besprochen hatte.
Um Mädchen für ihren Berufsbereich in IT, Handwerk, Naturwissenschaften und Technik zu begeistern und Jungs mehr für pädagogische oder soziale Berufe, nutzen heute,  am 27.04.2017, wieder viele Unternehmen und Einrichtungen bundesweit den Girls’Day / Boys´Day.
Hier einige Fakten und Ideen zu diesem besonderen Tag und wie KMU ihn nutzen können.

Die Idee des Girls´day

Obwohl die Geschlechterrollen in unserer Gesellschaft immer flexibler werden, ist die Berufs- und Lebensplanung junger Menschen nach wie vor stark von traditionellen Rollenvorstellungen geprägt. Mädchen wählen immer noch selten naturwissenschaftlich-technische Berufe.
Deshalb öffnen seit 2001 Unternehmen und Einrichtungen in ganz Deutschland am Girls’Day ihre Türen für Schülerinnen von der 5.-10. Klasse. Die Mädchen sollen sich in Ausbildungsberufen und Studiengängen ausprobieren, für die sich Frauen bisher eher selten entscheiden. Oftmals begegnen sie in den Betrieben, Einrichtungen und an Unis auch weiblichen Vorbildern in Führungspositionen aus Wirtschaft und Politik.

Angesprochen sind aber nicht nur Mädchengruppen (Klasse 5‐10), sondern auch Lehrkräfte, pädagogische Fachkräfte, Berufsberaterinnen und -berater sowie andere Multiplikatorinnen und Multiplikatoren (Eltern?!), die möglicherweise Einfluss auf die Berufswahl von Mädchen haben.

Der diesjährige Girls’Day findet am 27. April 2017 statt.

Typische Girls´Day-Berufe

Junge Frauen in Deutschland verfügen über eine sehr gute Schulbildung. Trotzdem wählen sie seltener als Jungen eine duale Ausbildung und ihre Wahl konzentriert sich im Wesentlichen auf nur zehn Ausbildungsberufe. Darunter ist kein einziger naturwissenschaftlich-technischer. Das sollte sich nicht nur aus Perspektive der Mädchen ändern, die damit nicht ihr gesamtes Potiential ausschöpfen, sondern auch aus der Sicht der Unternehmen, denen damit talentierte Mitarbeiter verloren gehen.

Girls’Day-Berufe sind Jobs, in denen nur wenige Frauen eine Ausbildung machen oder arbeiten. Die Downloadliste der Girls`Day-Seite umfasst unglaubliche 11 Seiten Auflistung dieser Berufe.

Nur ein kleiner Ausschnitt der Girls-Day-Berufe, die Mädchen nicht oder nur selten wählen

Nur ein kleiner Ausschnitt der Berufe, die Mädchen nicht oder nur selten wählen Quelle: Girls-Day.de

Auch wenn der ein oder andere Beruf – wie etwa der Beton- und Stahlbauer – auch in meinen Augen nicht gerade meinen Traumvorstellungen meiner beruflichen Zukunft als Frau entsprechen würde, kann ich nicht glauben, dass unter den geschätzten 300 aufgeführten Berufen keine interessanten für Frauen sein sollen.

Den Boys´Day gibt es auch

Schüler schreibt Berufe an die Tafel, in denen bisher nur wenige Männer arbeiten.

Quelle: Boys`Day.de

Wie Mädchen haben Jungen unterschiedlichste Interessen und Talente. Geht es um die Berufswahl, entscheiden sie sich jedoch immer noch oft für die klassischen Berufe wie Kfz-Mechatroniker oder Industriemechaniker. In typischen Frauenberufen sind Jungen ebenso rar wie Mädchen in technischen Berufen.

Laut Aussage der Girls´Day-Kooperationsstelle ist der Girls´Day – Mädchenzukunftstag – das größte Berufsorientierungsprojekt für Schülerinnen weltweit. „Seit dem Start der Aktion im Jahr 2001 haben etwa 1,7 Millionen Mädchen teilgenommen. Im Jahr 2016 erkundeten rund 100.000 Mädchen Angebote in Technik und Naturwissenschaften, etwa 9.600 Angebote von Unternehmen und Organisationen waren auf unserer Website eingetragen.“

Auch von Jungen wird das Angebot sehr rege genutzt: Seit 2011 haben fast 194.000 Jungen an mehr als 31.000 Boys´Day-Angeboten teilgenommen.

Auch in diesem Jahr werden für den Aktionstag nahezu 100.000 Plätze für Mädchen und fast 30.000 Projekte für Jungen angeboten.

Ein spannender Tag mit positiven Auswirkungen

Am Girls´Day / Boys´Day erleben die TeilnehmerInnen in Laboren, Büros, sozialen Einrichtungen und Werkstätten, wie spannend die Arbeit dort ist. In Workshops und bei Aktionen gewinnen die Jungen und Mädchen Einblicke in den Alltag der Betriebe und erproben ihre Fähigkeiten praktisch. Sie erhalten direkte Antworten auf ihre Fragen und können erste Kontakte knüpfen.

Von Schülerinnen und Schülern wird der Tag besonders gut aufgenommen. Sie sind mit den Angeboten sehr zufrieden und bewerten den Praxistag fast durchweg als sehr hilfreich für ihre Berufswahl.

Die Statistik zeigt, dass der Girlsday bei den Mädchen sehr beliebt ist.

Und: Evaluationsergebnisse bestätigen, dass der Girls´Day / Boys´Day einen positiven Einfluss auf das Image von technischen Berufen bei den Teilnehmerinnen und auf soziale Berufe bei den männlichen Teilnehmern hat.
Es scheint zu funktionieren, dass der Girls´Day / Boys´Day die Jugendlichen tatsächlich dazu motiviert, geschlechtsspezifisch untypische Berufe zu ergreifen.
So führen die Veranstalter den beobachtbaren Anstieg weiblicher Auszubildender in naturwissenschaftlich-technischen Berufen auf ihre Initiative zurück.

Durchführung eines Girls´Day oder Boys Day

Gute Vorbereitung ist alles

Zunächst sollte sich ein KMU überlegen, welches Ziel es mit einem Girls´Day / Boys´Day verfolgt. Soll grundsätzliches Interesse geweckt oder direkt Auszubildende rekrutiert werden? Je nachdem, welchen Zweck das Unternehmen verfolgt, müssen Verantwortlichkeiten festgelegt und ein Organisationsteam benannt werden.
Der Mädchen– und Jungen-Zukunftstag wird vom Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e.V. auf Bundesebene koordiniert. Hier kann sich jedes Unternehmen und jede Einrichtung als Partner für den Girls´Day / Boys´Day anmelden. Die Jugendlichen suchen sich dann ihrerseits ein passendes Projekt aus. Damit kann sowohl den Interessen der Unternehmen, als auch denen der Schülerinnen und Schüler Rechnung getragen werden.
Für eine gute Planung muss die Anzahl der angebotenen Plätze festgelegt und der Programmablauf geplant werden.
Für das leibliche Wohl sollte auch gesorgt sein, Mittagessen und Getränke werden in der Regel gestellt. Auch eventuelle Arbeits- und Schutzkleidung muss für die Jugendlichen organisiert werden.

Das Kompetenzzentrum bietet eine Anleitung zur Durchführung eines Girls’Day-Parcours zum Download an. Mädchen sollen damit ihre Potenziale und Interessen in den Bereichen Technik, Handwerk, Naturwissenschaften und Informatik entdecken. Die Broschüre gibt Anregungen, mit relativ einfachen Mitteln Mitmachaktionen zu gestalten. Diese sind aber, meines Erachtens, nicht wirklich altersgerecht – zumindest für die älteren Klassen. Sie dürften sich beim z.B. vorgeschlagenen Origami eher langweilen…. Aber die Fragen, die der Katalog beinhaltet sind sicher geeignetes Basismaterial für eine Schnitzeljagd durch die Werkstatt o.ä.
Selbstredend gibt es auch für den Boys`Day Praxishilfen und Checklisten zum Download.

Zum Abschluss erhält jede Teilnehmerin / jeder Teilnehmer eine Bestätigung und ein Abschiedsgeschenk, die ebenfalls frühzeitig vorbereitet werden sollten.

Öffentlichkeitsarbeit

Natürlich lässt sich ein Girls´Day / Boys´Day wunderbar für die eigene Pressearbeit nutzen und darüber hinaus für das Employer Branding. Deshalb sollte die lokale Presse frühzeitig informiert bzw. eingeladen werden. Auch auf der eigenen Internetpräsenz (inkl. Social Media) sollte der Tag repräsentativ dargestellt werden.
Für eine Berichterstattung im Vorfeld aber vor allem am Tag selbst oder in der Nachschau sollten professionelle Fotos bereitgestellt werden können.

Darüber hinaus stellt das Kompetenzzentrum mannigfaltige Werbe- und Aktionsmaterialien zur Durchführung des Tages zur Verfügung, wie beispielsweise Plakate, Flyer sowie Give-Aways (Aufkleber, Schreibblock, Kugelschreiber, Taschen, Buttons …), die im Vorfeld an Schulen etc. als Werbung für die eigenen Projekte zum Girls´Day / Boys´Day verteilt werden können.

Mit Spannung und Action auf Snapchat

Der Girls´Day / Boys´Day selbst sollte für die Jugendlichen so abwechslungsreich und spanndend wie möglich gestaltet werden.
Für den Tagesablauf empfiehlt sich eine gesunde Abwechslung zwischen Information und Action. Ein Betriebsrundgang in Form einer Rallye oder Quiz mit Fragekärtchen zum Kennenlernendes Betriebes und der Beschäftigten oder eine Unternehmenspräsentation (z.B. durch einen Auszubildenden) wechselt mit spannenden praktischen Aktionen.

Besonders gut gelingt die Animation zur geschlechtsuntypischen Berufswahl, wenn die Jugendlichen ins Gespräch mit ihren Vorbildern kómmen können, also Mädchen mit Frauen in Ausbildung oder gar Führungspositionen in technischen Berufen oder Jungen mit Beschäftigten in typischen Frauenberufen.

Dabei ist es sehr wichtig, das Alter der Teilnehmerinnen zu beachten. Die 5-Klässlerinnen sind noch etwas kindlicher, Mädchen aus der 10. Klasse brauchen eine andere Ansprache und komplexere Aufgaben.
Um so mehr die Jugendlichen praktisch tun, „in echt ausprobieren“ und handfest mit anpacken dürfen, desto spanndender die Erlebnisse und desto aufregender die Berichte auf Snapchat & CO über das eigene KMU!
Zum Abschied erhält jede Teilnehmerin / jeder Teilnehmer eine Bestätigung sowie ein kleines Goody-Bag. Als Erinnerungsgeschenke eignen sich Fotos vom Tag, Werkstücke, die die Jugendlichen tagsüber gefertigt haben, Give-Aways oder individuelle Erinnerungsgeschenke des KMU.

Den Girls´Day / Boys´Day nachhaltig nutzen

Das Engagement für den Girls`Day / Boys`Day sollte sich nicht nur für den einen Tag und für die Mädchen und Jungen auszahlen, sondern auch langfristig einen Nutzen für das KMU bringen.
Dafür sollte man
  • den Tag genau analysieren und evaluieren: was ist gut gelaufen, wie waren die Rückmeldungen der Jugendlichen / Eltern / Schulen. Eventuell lohnt es sich, einen Fragebogen zu entwickeln, der nach einigen Tagen an die entsprechenden Ansprechpartner versand wird
  • den Girls´Day / Boys´Day auch medial aufarbeiten. Dazu werden wiederum Informationen an die Presse versandt (wenn diese nicht vor Ort war), Fotos und Eindrücke werden auf den sozialen Medien geteilt und zur Dokumentation an die Bundesweite Koordinierungsstelle Girls’Day – Mädchen- / Boys`Day – Jungen – Zukunftstag  gesandt
  • die TeilnehmerInnen des Girls´Day / Boys´Day in das Alumni-Netzwerk aufnehmen und an weiteren Informationen per Newsletter oder Social Media teilhaben lassen. Vielleicht findet sich unter den Jugendlichen ein geeigneter Auszubildender, den man frühzeitig binden möchte. Tipps dazu auch in meinem Beitrag über Schülerpraktika in KMU
  • Last but not least sollte den Verantwortlichen und  Freiwilligen ein extra Dank ausgesprochen werden, eventuell verknüpft mit einer kleinen Anerkennung. Denn die Organisation eines solchen Tages ist nicht nur aufwendig, sie erfordert in der Regel auch eine Menge Herzblut, damit alles perfekt durchdacht ist
Falls Du und Dein Unternehmen den Girls`- und Boys`Day 2017 verpasst habt, dann könnt Ihr ja im nächsten Jahr, am 26.04.2018 teilnehmen.

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