Was muss ein attraktiver Arbeitgeber bieten? Meine heutige Antwort: einen planvollen und strukturierten Umgang mit Erkrankungen der Mitarbeiter.

Im Oktober 2018 bin ich ernsthaft erkrankt. Ich bin seit also mehr als 3 Monaten arbeitsunfähig. Was das hier zur Sache tut? Nun zunächst möchte ich mich dafür entschuldigen, dass ich über 3 Monate auf keinem meiner Kanäle aktiv war und mich bei Kunden und Interessenten nicht gemeldet habe. Zum anderen habe ich in dieser Phase einiges erlebt, was mich dazu bewog, diesen Beitrag zu verfassen.

Mein Arbeitgeber

Ich arbeite in einer PR-Agentur als Personalverantwortliche. Bei Krankheit der Mitarbeiter war es mir immer wichtig, zunächst an die Genesung der Kollegen zu denken und sie zu unterstützen, wenn nötig. Wir wünschen auf die unterschiedliche Art und Weise „Gute Besserung“, bei längerer Abwesenheit auch einmal mit einem Blumenstrauß oder einer anderen Aufmerksamkeit.

Nun bin ich selbst erkrankt. Du weißt aus früheren Blogbeiträgen vielleicht, dass ich halbtags in der Firma arbeite. Sehr häufig arbeite ich von zuhause und bin nicht wirklich präsent. Einige Mitarbeiter kennen mich mehr vom Hörensagen, als durch einen direkten Kontakt. Trotzdem brachte das Team mir einen riesen Blumenstrauß, Lektüre und eine rührende Genesungskarte vorbei. Ich wurde besucht und angerufen, von den meisten bekam ich sehr persönliche und liebevolle Grüße per E-Mail. Ich spürte und spüre auch jetzt in der Rekonvaleszenz  die direkte Anteilnahme meiner Kollegen und meines Chefs. Natürlich haben wir einiges miteinander zu klären an Anträgen für Krankenkasse usw , es ist nach wie vor nicht klar, wann ich genau zurückkommen werde. Trotzdem wünscht man mir eigentlich nur das Beste.

Andere Arbeitgeber

Umso erschrockener war ich, als ich hier in der Rehabilitationsklinik mit anderen über den Umgang ihres Arbeitgebers mit ihrer Krankheit erfuhr. Von „Krankheit kann man sich hier nicht leisten.“, „Warum gehst du auf Reha und nicht in einen normalen Urlaub.“, der Androhung von Versetzungen auf unattraktivere Posten im Unternehmen nach der Reha bis zur ordentlichen Kündigung ist alles dabei. Ufff.  Attraktive Arbeitgeber sind das für mich nicht.

Doch wie sollte ein attraktiver Arbeitgeber mit Krankenzeiten umgehen? Wie verhält er sich grundsätzlich zum Thema Krankheit und welche Regelungen gibt es bei längeren Abwesenheiten? Was tun, wenn ein Mitarbeiter immer wieder erkrankt, was machen bei dem Verdacht, dass Mitarbeiter „blau machen“ oder „simulieren“?

Grundhaltung zu Gesundheit und Krankheit

Natürlich kommt es immer auf die Art der Erkrankung an und deren Dauer.

Ganz grundsätzlich sollte ein Arbeitgeber  eine positive und konstruktive Einstellung zu Arbeitsunfähigkeit pflegen.

Viele Unternehmen halten es für lobenswert, wenn sich kranke Mitarbeiter zur Arbeit schleppen. Dabei meine ich nicht die Kollegin, die wegen einer äußerlichen Erkrankung  zwar nicht ins Unternehmen kommen, aber von zuhause aus arbeiten kann. Ich spreche nicht vom Kollegen, der morgens in die Firma kommt und ein Projekt beendet oder übergibt, damit es nicht zum Erliegen kommt. Auch ich habe mit verstauchtem Fuß schon zuhause am PC gesessen oder mit Grippe noch schnell die aktuellen Notwendigkeiten an meine Kollegin übergeben.

Ich halte es aber für fahrlässig, wenn ein Mitarbeiter arbeitet, obwohl er erkennbar und ernsthaft arbeitsunfähig ist. Denn damit gefährdet er ja im Zweifelsfall auch die Gesundheit der Kollegen oder er geht bewusst die Gefahr ein, die Erkrankung zu verschleppen und gegebenenfalls länger auszufallen. Außerdem ist ein  kranker Mitarbeiter nur eingeschränkt leistungsfähig.

Deshalb sollte die Maxime heißen: kranke Mitarbeiter haben auf der Arbeit nichts verloren.  Eine Erkrankung, die die Erledigung seiner Aufgaben nicht zulässt, sollte ein Arbeitnehmer auskurieren. Und umso früher er zuhause bleibt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er nur kurz ausfällt.

Diese Grundhaltung muss das Unternehmen zeigen und kommunizieren. Sichtbar kann diese Grundhaltung werden, indem es ein strategisches Gesundheitsmanagement gibt, eine aktive und strategische Vertretungspolitik etabliert wurde oder der Chef kranke Mitarbeiter nach Hause schickt.

Auch sollte der Umgang mit Krankeiten in der Führungsriege einheitlich gedacht und gelebt werden.

Kurze Arbeitsunfähigkeit

Kommt es also zu einer gelegentlichen Krankmeldung über einige wenige Tage, sollte man erst einmal kein großes Aufheben darum machen. Man wünscht gute Besserung, der Mitarbeiter kommt nach einigen Tagen wieder und damit ist die Sache erledigt.

Zwar hat der Arbeitgeber kein Recht darauf, die Art der Erkrankung zu erfahren. In der Regel, vor allem in KMU, kennen aber Kollegen und direkte Vorgesetzte die Gründe der Abwesenheit.  Wenn nötig, wenn es die Beziehung zum Arbeitnehmer zulässt und die Umstände, kann der Arbeitgeber Unterstützung anbieten (Medikamente besorgen, Einkäufe erledigen o.ä.).

Langfristige Arbeitsunfähigkeit

Bei einer längerfristigen Erkrankung des Arbeitnehmers entstehen ganz unterschiedliche Anforderungen.

Arbeitgeber und Mitarbeiter müssen die Lohnfortzahlung regeln und eine Prognose über den Wiedereinstieg treffen. Der Arbeitgeber muss eine Vertretungsregel für die Abwesenheit treffen und die Wiedereingliederung planen.

Beim Arbeitnehmer gerät durch eine längere Erkrankung häufig sein gesamtes Gefüge aus den Fugen. Der Alltag kann nicht mehr funktionieren und die Zukunft ist manchmal ungewiss. Bei vielen Arbeitnehmern entstehen Unsicherheiten und Ängste und ihre berufliche Zukunft. Daher ist eine Unterstützung durch den Arbeitgeber möglicherweise sehr hilfreich.

Je nach Erkrankung kann diese natürlich sehr unterschiedlich aussehen.

Der Arbeitgeber kann durch zeitnahe und unkomplizierte Erledigung der nötigen Formalitäten seine aktive Unterstützung zeigen. Eine klare und konstruktive Kommunikation über die Regelungen während der Abwesenheit signalisieren Wohlwollen und Sicherheit. Schön ist eine aktive und ehrliche Anteilnahme. Der Kontakt darf (informell) gehalten werden, Genesungswünsche und unaufdringliche Aufmerksamkeiten kommen in der Regel gut an. Je nach Erkrankung kann der Mitarbeiter zu besonderen Anlässen eingeladen werden oder an Weiterbildungen teilhaben.

Wichtig ist eine gemeinsame Planung des Wiedereinstiegs. Für beide Seiten ist eine verbindliche Verabredung über das Prozedere vonnöten. Wann, mit wie viel Prozent, auf welchen Posten, mit welchen Einschränkungen wird der Mitarbeiter zurückkommen. Je nach Art und Dauer der Erkrankung müssen räumliche oder organisatorische Veränderungen vorgenommen, (Nach-) Schulungen durchgeführt oder  sonstige Vorbereitungen für die Rückkehr getroffen werden. Der Arbeitgeber kann hier frühzeitig ins Gespräch und in die Planung kommen.

Unter Umständen empfiehlt es sich auch, über die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung frühzeitig zu kommunizieren.

Möglicherweise machen sich sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber darüber Gedanken, ob es zu einem solchen Ernstfall kommen könnte. Daher sollte das Thema, wenn die Voraussetzungen dazu vorliegen, offen angesprochen werden.

Wo liegt die Toleranzgrenze?

Für den Arbeitgeber kann allerdings auch in anderen Fällen als der langfristigen Erkrankung eine Toleranzgrenze überschritten werden. Dann nämlich, wenn Mitarbeiter zwar immer kurz, aber sehr häufig erkranken. Insgesamt wurden für 2017 im Durchschnitt 17,4 Krankentage pro Mitarbeiter ermittelt. Dies stellt aber natürlich keine offizielle und rechtsgültige Richtschnur dar. Ab wann der Betriebsablauf durch die Erkrankung des Arbeitnehmers empfindlich gestört wird, und er eine Grenze setzen muss, kann sehr unterschiedlich sein.

In diesem Fall, oder wenn das Unternehmen den Verdacht hegt, dass Mitarbeiter eher „simulieren“ oder „Krank feiern“, muss in jedem Fall gehandelt werden.

Zunächst sollte das Unternehmen das Gespräch suchen. Ob zunächst informell oder direkt formell, das variiert je nach Unternehmensstruktur und –kultur. Der Grundtenor der Gespräche sollte viel mehr wohlwollend als misstrauisch sein. In einem solchen Gespräch vermittelt der Arbeitgeber vornehmlich seine Sorgen bzw. Bedenken.  Das Ziel ist, mit dem Mitarbeiter eine realistische Einschätzung über sein Leistungsvermögen und seine (zukünftige) Belastbarkeit zu treffen. Unter Umständen muss geklärt werden, ob Arbeits- oder Umgebungsbedingungen die Erkrankungen fördern und ausgeräumt werden können/ müssen. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber Unterstützung anbieten, die Gesundheit des Mitarbeiters zu fördern bzw. Erkrankungen zu vermindern.

Für das weitere Vorgehen sind eindeutige Absprachen nützlich. Wird es weitere Gespräche geben, wenn ja unter wessen Beteiligung, ab wann ist die Toleranzgrenze des Arbeitgebers überschritten und welche Maßnahmen wurden zwischen Arbeitgeber und –nehmer vereinbart? Auch kann der Arbeitgeber deutlich machen, welche Schritte im Fall getätigt werden, wenn sich keine Besserung einstellt.  Sollte es zu einer rechtlichen Auseinandersetzung kommen, sind formelle Standards unerlässlich.

Allerdings wünsche ich allen Beteiligten, Arbeitgebern wie –nehmern, dass sich eine solche Situation vermeiden lässt. Überhaupt wünsche ich allen, dass sie gesund bleiben und alles, was ich hier dargelegt habe, nie brauchen werden.