Uiuiui, heute geht es um ein heikles Thema: Vertrauen.

Allgemein sagt man ja, Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Das gilt vor allem auch in der Berufswelt. Eine Führungskraft kann delegieren, aber sie muss immer ein Auge auf Prozesse und vor allem Ergebnisse haben. In vielen Unternehmen herrscht ein Betriebsklima des grundsätzlichen Misstrauens vor, das durch strenge Kontrollmechanismen, Machtspielchen, Konkurrenzverhalten und Leugnung von Fehlern geprägt ist. Wo Vertrauen fehlt, regieren Unsicherheit und Angst.

In einer Arbeitswelt, in der die Aufgaben immer komplexer werden und die Anforderungen des Kunden, bzw. des Marktes immer vielfältiger, kann eine Person nicht mehr alle Kompetenzen auf sich vereinen und alles unter Kontrolle haben. Das mag in einem Handwerksbetrieb, der hochspezialisiert für einen speziellen Kundenkreis fertigt, noch möglich sein. In den meisten, inzwischen international tätigen Unternehmen, die sich dem Markt agil anpassen (müssen,) funktioniert das in der Regel nicht mehr. Ein umfassender Über- und Durchblick ist einfach nicht mehr zu leisten und daher bleibt häufig nur eins: denen zu vertrauen, die die Aufgaben erledigen.

Deshalb wird in vielen Unternehmen ein vertrauensvolles Miteinander gefordert und in Leitlinien niedergelegt. Doch leider sind dies nicht selten nur Lippenbekenntnisse.

Und damit wächst eigentlich genau das Gegenteil, nämlich Misstrauen und Angst. Die Folge: Die Mitarbeiter ziehen sich in eine innere Emigration zurück – sie machen Dienst nach Vorschrift und hören auf, sich mit Ideen und besonderer Leistungsbereitschaft in das Unternehmen einzubringen.

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Allerdings nehmen Mitarbeiter ein misstrauisches und kontrolllastiges Betriebsklima nicht mehr einfach hin. Sie verlassen das Unternehmen, im schlimmsten Fall nehmen sie nicht nur ihr Wissen und ihre Kompetenz mit, sondern streuen ihre schlechten Erfahrungen unter neuen Bewerbern.

Deshalb muss die Maxime sein, Kontrolle ist wichtig, aber Vertrauen noch mehr. Natürlich brauchen Mitarbeiter, die noch nicht über längere Erfahrung verfügen, kurze Feedbackschleifen. Selbstverständlich müssen Meilensteine gesteckt und Ergebnisse überprüft werden.

Ansonsten muss nicht nur in agilen Unternehmen Autonomie und Eigenverantwortung gelten.

Vertrauensvorschuss bieten

Häufig müssen Vorgesetzte ihren Mitarbeitern einen Vertrauensvorschuss schenken – wie dies übrigens auch Mitarbeiter ihrem Arbeitgeber einen Vorschuss geben, wenn sie sich für den Job entscheiden.

Einen Vertrauensvorschuss bietet man, indem man einer Person Vertrauen schenkt, ohne dass man weiß, ob dieses Vertrauen gerechtfertigt ist.

Stützen des Vertrauens bilden die Erfahrung der Mitarbeiter, ihre (Fach-)Kompetenz und eine Integritätserwartung. Das heißt, dass ich zunächst einmal davon ausgehe, dass der Mitarbeiter seine Arbeit gut und richtig machen möchte und Auskünfte nach bestem Wissen und Gewissen gibt.

Umso länger ein Mitarbeiter seine Arbeit also macht, über umso mehr Fähigkeiten er verfügt und umso länger er im Unternehmen arbeitet, desto höher kann das Vertrauen sein.

Vertrauen fördert Leistung

Es braucht keine psychologischen Studien um zu erkennen, dass wir uns in einer vertrauensvollen Atmosphäre wohler fühlen als in einem missbilligenden, kontrollierenden Betriebsklima. Doch es ist wissenschaftlich belegt, dass Vertrauen Komplexität reduziert (weil man auf die – wenigen – Informationen vertraut, die man bekommt).  Wir verwenden also weniger Zeit, zu überprüfen und nach zu forschen und wir verbrauchen nicht so viel Energie auf Misstrauen und -mut. Gleichzeitig wird uns nicht so viel Misstrauen entgegen gebracht, was sich positiv auf unseren Selbstwert auswirkt. Mit einem Vertrauensvorschuss haben Mitarbeiter mehr Mut, eigene Entscheidungen zu fällen und erfolgreich zu sein.

Dies wurde bereits in den 60er Jahren im sogenannten Rosenthal-Effekt aufgezeigt, der vereinfacht auch als selbsterfüllende Prophezeiung beschrieben wird. Denn der Effekt besagt, dass die Erwartungen, die uns entgegen gebracht werden, einen großen Einfluss darauf haben, wie wir uns verhalten.

Wird also von Mitarbeitern erwartet, dass sie falsche Entscheidungen treffen, Fehler machen und dem Unternehmen schaden, so werden sie sich auch so verhalten.
Anders herum werden sie leistungsstark und verantwortungsvoll vorgehen, wenn ihnen das Vertrauen entgegen gebracht wird, dass sie dies könnten.

Vertrauen aufbauen

Du siehst also, es lohnt sich, auf Vertrauen zu bauen. Da es vielen Menschen nicht so leicht fällt, Vertrauen „einfach so“ zu verschenken, lautet die gute Nachricht: es lässt sich bewusst aufbauen.

Das Wichtigste beim Aufbau eines (neuen) Vertrauensbegriffs ist, dass das Unternehmen sich Zeit lässt. Vertrauen lässt sich nicht „verordnen“ und benötigt Geduld. Mit dieser entsteht eine gute Beziehung, die von Vertrauen getragen wird. Um dies zu vertiefen braucht es Gelegenheiten und besondere Momente.

Das Gegenüber mit all seinen fachlichen wie persönlichen Besonderheiten steht dabei im Fokus. Das Persönliche, das Individuelle muss unbedingt wertgeschätzt und gepflegt werden, um Vertrauen zu schaffen.

Gleichzeitig muss das Persönliche auch ein Stück zurückstehen. Vertrauen aufzubauen heißt auch, auf persönliche – kurzfristige – Vorteile zu verzichten. Es bedeutet, sich auf andere einzulassen und Schwächen nicht auszunutzen.

Zu einer wichtigen Bewährungsprobe können kritische Situationen werden, denn sie zeigen, wie ernst das Unternehmen den Vertrauensvorschuss nimmt und lebt. Ein solcher Vertrauensbeweis zur rechten Zeit ist wichtiger als alle Zugeständnisse ansonsten. Denn nur dadurch erfahren die Kollegen, dass man sich wirklich aufeinander verlassen kann.

In Krisenzeiten wirkt es vertrauensvertiefend, offen und ehrlich zu kommunizieren. Natürlich müssen Führungskräfte ihre Mitarbeiter nicht über alle ihre Gedankenschritte eines Prozesses informieren. Gleichwohl sollten sie ihre Mitarbeiter in Prozesse mit einbeziehen. Nichts schafft so sehr Vertrauen, wie ein transparenter und ehrlicher Austausch über die verschiedenen Ebenen. Aufrichtigkeit über Ziele, Grenzen und Ängste, Offenheit gegenüber den Meinungen und Bedürfnissen der Mitarbeiter sowie Respekt vor anders Denkenden. Dazu gehört auch, eigene Fehler offen anzusprechen sowie die Erkenntnisse, die daraus gezogen werden konnten. Eine Kultur, die ein angstfreies Agieren inklusive Fehlern zulässt, beginnt bei den Vorgesetzten.

Vertrauen wird darüber hinaus besonders gefördert, wenn Versprechen eingehalten werden. Vor allem Ungerechtigkeiten schüren laut ZEIT ONLINE  Misstrauen und Unzufriedenheit. Andersherum werden Berechenbarkeit und Geradlinigkeit von Entscheidungen ebenso goutiert wie gerechte und nachvollziehbare Beurteilungen.

Vertrauen wächst durch Wertschätzung, positive Erfahrungen und durch zunehmende Vertrautheit.

Kann doch nicht so schwer sein, oder?